Kakteen haben aus botanischer Sicht Dornen, aber war dies schon immer so?

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  • Ich habe festgestellt, dass einer meiner Ascleps (Edithcolea grandis) richtige spitze Stacheln besitzt. Und das nicht nur bei alten Trieben, sondern bei auch bei den Neutrieben. Ich habe mich inzwischen belehren lassen, dass es auch noch andere Ascleps mit Stacheln gibt. Für mich war das aber neu. Ich nehme an, dass ich mit Stacheln richtig liege. Von mir aus können das auch Dornen oder Piekser sein. Jedenfalls stechen (pieksen), tun sie.

  • Na dann versuch mal diese Stacheln einfach abzumachen ohne der Pflanze nennenswerte Schäden zuzufügen. Also botanisch korrekt eindeutig Dornen! Alles klar? ;)

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Ich hatte mal Quaqua mammilaris ausgesät und durfte sie fast eineinhalb Jhre pflegen, bis sie mir den Stinkefinger zeigten.. jedenfalls die hatten auch ordentliche Piekser - öh Dornen :thumbup:

    Alles Liebe

  • Hmm.. wieso bin ich nicht schon vor einem Jahr auf diese Seite gestoßen.
    Hier findet man ja alles. Von Sprachwissenschaftlern bis hin zu Bibelforschern.


    Ich drösel das ganze jetzt einmal sprachwissenschaftlich auf:


    "Der Dorn, des -es, plur. die Dörner und die Dornen. Es bedeutet,
    1. Eigentlich, einen jeden Stachel, oder einem Stachel ähnlichen vorn spitzig zulaufenden Körper. Diminutiv. Dörnchen, im Oberdeutschen Dörnlein. In dieser Bedeutung hat es im Plural die Dörner, wird aber doch nur in einigen besondern Fällen gebraucht. 1) Von den scharfen Spitzen an manchen Gewächsen, welche aus einem schwammigen Wesen bestehen, und mit einer harten Rinde umgeben sind. In engerer Bedeutung führen nur diejenigen Spitzen den Nahmen der Dörner, spinae, welche aus dem Holze durch die Rinde hervorragen, dagegen diejenigen, welche sich bloß an der Rinde befinden, selbst im gemeinen Leben, am häufigsten Stacheln, aculei, genannt werden. [...]"
    Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. 1. Aufl., Leipzig. 1774–1786. Der Dorn (1). S. 12527.



    "Der Stáchel, des -s, plur. die -n,
    ein Ding, welches sticht, ein Werkzeug zum Stechen, in welchem Falle viele spitzige Werkzeuge und Theile der Körper, wenn sie keinen andern eigenen Nahmen haben, Stacheln genannt werden. Dergleichen sind die Stacheln an den Wassernüssen, Dornen, Igeln, Stachelschweinen, an den Getreidearten, welche auch Agen, Acheln, Gracheln, Grannen genannt werden, ingleichen die Stacheln der Bienen, Wespen u.s.f. Sprichw. wer Honig lecken will, muß den Stachel (der Bienen) nicht scheuen. Dornen und Stacheln werden, wenn von spitzigen holzartigen Auswüchsen an Gewächsen die Rede ist, zwar gemeiniglich als gleichbedeutend gebraucht: allein in der Botanik unterscheidet man sie noch, und nennet Stacheln oder Spinas, dergleichen Auswüchse, welche aus dem Holze durch die Rinde hervor ragen, Dornen oder Aculeos aber, wenn sie nur an der Rinde befestiget sind. [...]"
    Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. 1. Aufl., Leipzig. 1774–1786: Der Stachel. S. 51102.



    Kurz danach haben ja die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm auch an einem Wörterbuch gearbeitet, sind jedoch nie bis zum Ende gekommen - bis D dürften sie es allerdings geschafft haben, wenn ich mich nicht täusche, jedoch find ich es nicht ?(


    Zumindest liegen wir mit Adelung noch ein wenig weiter zurück (gemessen an Hetschold) - sein Grammatisch-kritisches Wörterbuch zeigt zumindest, dass man auch schon Mitte des 18. Jahrhunderts botanisch zwischen Stachel und Dorn unterschieden hat.


    Jetzt wäre noch interessant zu wissen, ob sich botanische Namen eurer Lieblinge irgendwie von den Wörtern "spinas"/"spinae" bzw. "aculeos"/"aculei" ableiten ... aber da ich Stacheln/Dornen und alles Autschi-Machende nicht mag, ist es nun wieder an euch. :thumbup:

    CABAC:"Und außerdem sind Lithops [...] gut für die Seele. Kakteen sind dagegen nur gut für das Ego. How, ich habe gesprochen!"

  • Danke für den Sprachwissenschaftlichen Ausflug! Rumge"spinnt" wird bei Kakteennamen wirklich genug. Beispielsweise mit Namen wie spinosissima oder crassispinum. Natürlich sind diese Ableitungen nicht nur bei Kakteen bzw. in der Botanik vertreten. Man denke nur an den Spinosaurus ("Dornenechse") oder an Acuelata ("Stechimme").


    Wobei man hier einen Ausflug auch in völlig andere Richtungen unternehmen kann. Bleiben wir mal bei den Sauriern. Da gibt´s auch die Pachycephalosauria ("Dickkopfsaurier") welche wir beim Cephalium wieder finden (Cephalus --> griechisch --> Kopf, Haupt, etc.) oder den Pteranodon ("Flugsaurier") wo Ptero (= Flug...) bei Pterocactus wieder auftaucht (wegen der Flugsamen - bei Kakteen übrigens einzigartig bei dieser Gattung). Aber das nur ganz am Rande - diese Reihe lässt sich schließlich unendlich fortsetzen. Also jetzt flott zurück zu den Dornen und Stacheln! ;)

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Das ist ja zum aus der Haut fahren.
    Mamarilla albispina müsste dann ja eigentlich "weißstacheliger Warzenkaktus" heißen. Nun bräuchte man wohl einen Sprachhistoriker.


    Aber Shamrock, du bestätigst eigentlich nur, dass aus den lateinischen Begriffen die verschiedensten Übersetzungen hervorgingen. Und gerade beim kurzen Dino-exkurs und beim Flugsamenkaktus kommt das ja auch alles irgendwie hin. Wieso deckt es sich dann nicht mit den Übersetzungen bei den Dornen und Stacheln? Wirklich verzwickt. Ich hatte kurz ein Beispiel aus dem Mittelhochdeutschen im Kopf, bei dem "hôchgezîten" (Fest) sich zu "Hochzeit" entwickelte. So schwirrten nun auch Begriffe wie Bedeutungseinengung und -erweiterung durch meinen noch nicht ganz erwachten Geist. Aber so kam ich auch auf keine Lösung. Aber bei Stachel und Dorn haben sich ja irgendwie, zumindest wenn man bei den Übersetzungen guckt (Dornenechse, Stechimme), die Bedeutungen vertauscht. Und davon hab ich noch nie gehört.
    Wahrscheinlich ist alles viel einfacher, als man denkt: aus botanischer Unwissenheit (und auch ich wusste ja bis gestern nicht den Unterschied zwischen Dorn und Stachel) hat man eben allem einen Namen gegeben, ohne auf diesen Unterschied zu achten. "Autschn, es piekst, es hat Stachel - obwohl es ein Schwein ist." Und von da an sprach man vom Stachelschwein oder so. 8o
    Ich weiß es nicht und kann es mir nicht wirklich erklären ... vielleicht hat man wirklich viele Dinge nach Gutdünken benannt und es bürgerte sich so ein.
    Naja zumindest wissen wir, dass es schon um 1750 eine konkrete Unterscheidung gab. Immerhin.

    CABAC:"Und außerdem sind Lithops [...] gut für die Seele. Kakteen sind dagegen nur gut für das Ego. How, ich habe gesprochen!"

  • grad mal nachgeschaut: die mamillaria albispina kann ich in meinem nachschlagewerk garnicht finden ... eine illusion? :)


    aber dabei fielen mir (bildlich gesprochen) bei jeder beschreibung "stacheln" ins auge. lange, weiße, gebogene stacheln, mittelstackeln, hakenstackeln usw.
    (walter haage, das praktische kakteenbuch, 1975). also wesentlich neuer als 1750, und doch so "unkonkret" ...

    Gruß, Pit

  • Die Mammillaria albispina gibt´s auch nur als var. oder f. zu anderen Mammillarien. Guck mal hier: http://www.google.de/#sclient=…5348aa9c&biw=1366&bih=685
    Und wenn man wieder zum Anfang dieses Threads zurückkehrt (sehr kurzweilig zu lesen übrigens...! :D :( Warum soll der Haage da konsequenter sein als der Backeberg?


    Um mal die Verwirrung für Puuh zu maximieren: Es gibt bei den bot. Namen auch noch die tolle Bezeichnung "cantha" oder "canthus" für Dornen (oder doch für Stacheln???) wie z.B. Toumeya papyracantha (das braucht man jetzt wohl nicht zu übersetzen, oder? ;) ). Übrigens haben sich da damals wirklich viele Sachen schlichtweg aus dem Volksmund entwickelt und wurden somit nach Gutdünken (woher stammt eigentlich dieses Wort?) benannt. Schließlich war dem Volksmund die Wissenschaft meist relativ wurscht. 8o

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Übrigens haben sich da damals wirklich viele Sachen schlichtweg aus dem Volksmund entwickelt und wurden somit nach Gutdünken (woher stammt eigentlich dieses Wort?) benannt. Schließlich war dem Volksmund die Wissenschaft meist relativ wurscht. 8o

    ist zwar gerade off topic, aber ... hmm :D im Wort "gutdünken" ist der Bestandteil "gut" eine Art Attribut. Und "dünken" hatte zumindest zu Adelungs Zeit mehrere Bedeutungen. Als erste und damit wohl wichtigste Bedeutung wird es in seinem Wörterbuch mit "denken" geführt. Nicht zu verwechseln mit "mich dünkt" was wohl zwar den selben Ursprung hat aber in der Bedeutung anders ist. So kann man dann also "Gutdünken" frei übersetzen mit: nach bestem Glauben, bestem Wissen.


    Um konkret auf die Eingangsfrage noch einmal einzugehen.
    Ich kenne mich nun mit Kakteen eben nicht so wirklich aus. Wenn man aber wieder den guten Adelung zu Rate zieht, der ja Dornen und Stacheln eindeutig charakterisiert, dann denke ich, dass es wohl bei Kakteen beides gibt: Stacheln und Dornen.


    So gibt es doch bestimmt Kakteen mit Stacheln ("Auswüchse, welche aus dem Holze durch die Rinde hervor ragen") und auch Kakteen mit Dornen (welche "nur an der Rinde befestiget sind").
    Oder?? Wie gesagt, ich kenne mich auf dem Kakteen-gebiet nicht aus.

    CABAC:"Und außerdem sind Lithops [...] gut für die Seele. Kakteen sind dagegen nur gut für das Ego. How, ich habe gesprochen!"

  • Also ich wüsste keinen Kaktus, welcher im bot. Sinne Stacheln hat. Das sind alles Dornen! Wenn man sich die Herkunft dieser Dornen anguckt, ist es auch relativ logisch - schließlich kommen Blätter ja auch aus dem Pflanzeninneren und sind nicht nur auf der Haut anhaftend bzw. aufsitzend... :)
    Ursprünglich dienten die Dornen primär der Reduzierung der Verdunstungsoberläche, mittlerweile erfüllen sie aber auch viele andere praktische Zwecke für unsere Lieblinge wie:
    - Wasseraufnahme (sei´s als Kondensationspunkt für Tau, als "Hinleitung" von Tau an die Epidermis oder eben direkt über die Papierdornen - wobei wir hier schon wieder bei der papyracantha sind)
    - Schatierung
    - Abwehr von Fressfeinden
    - Vermehrung (durch Dornen können einzelne Sprossglieder im Fell von umherstreifenden Tieren hängen bleiben, mitgeschleppt werden und woanders wieder Bewurzeln)
    - Schutz von Blütenknospen und Früchten
    - Abschreckung von Puuh und Sabina
    - etc.

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • - Abschreckung von Puuh und Sabina

    Nanana! Zumindest Sabina lässt sich ja nicht mehr schrecken! Urs

    Quallen haben 650 Millionen Jahre ohne Gehirn überlebt. Das gibt vielen Menschen Hoffnung.

  • Nanana! Zumindest Sabina lässt sich ja nicht mehr schrecken! Urs


    Kann ich ja morgen mal überprüfen... ;)

    "Man vermeide, wenn man sich schon mit Kakteen befassen will, jede Art von Humor und Toleranz." - Glossen-Autor aculeatus in der Stachelpost 1969

  • Eben! Bei irgendwelchen Blattpflanzen hätte es dieser Typ deutlich einfacher gehabt. Tieren geht es genauso und da Tiere anscheinend doch intelligenter sind, versuchen sie es erst gar nicht bei Kakteen (im Gegensatz zu Menschen). :thumbup:

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  • Hallo Tobias,


    das ist eine gute Frage, die ich leider auch nicht so richtig beantworten kann.
    Ich mag eher Kakteen zum Anfassen, deshalb sind lange Dornen bei mir eher die Ausnahme.
    Die längsten Dornen bei mir hat eine Echinopsis-Hybride, wo ich finde, dass 5 cm schon recht heftig sind:



    Aber es gibt Kakteen mit deutlich längeren Dornen. Zum Beispiel aus den Gattungen Eulychia mit bis zu 20 cm, Arten der Gattungen Echinocereus, Trichocereus, Lobivia und Ferocactus können auch recht lange Dornen haben.
    Um diese Dornenpracht auch zur Geltung zu bringen bzw. diese Kakteen auch dazu zu bewegen, sich zu entfalten, benötigt man aber einen guten Standort mit viel Licht.


    LG
    Frauke

  • Ja, 20 cm sind schon echt krass!
    Ich hatte mal einen Echinofossulocactus grandicornis(!!) mit Mitteldornen von fast 12 cm! :wacko:

    Sukkulentenfieber ist eine schwere Krankheit! Wer sich infiziert hat, ist nicht zu retten!
    We do not forgive!! We do not forget!!
    Tom